Kirchen wollen offen sein für alle Menschen guten Glaubens. Klar, neben Kirchturm, Glocken und Kanzelpult kommt es auf den Inhalt an. Aber das Äußerliche kann sich ebenso sehen lassen. Ein Rundgang zu Gottes neuen Häusern…

Kirche soll auf das Göttliche weisen, ist heute aber mehr als nur Ort für Gottesdienst und stilles Gebet. Berliner nennen ihre Hohenzollern-Kirche „Kraftwerk Gottes“.

Der wuchtige Sakralbau ist ein herausragendes Beispiel expressionistischer Architektur. Kirche soll neue Kraft für den Glauben geben. Andererseits erinnert der Bau äußerlich eher an ein Industriegebäude. Der kräftige Kirchturm aus Stahlbeton ist über 60 Meter hoch, läuft nach oben wie eine schlanke Nadel zusammen, um seine Größe perspektivisch zu betonen.

Allein sein Kreuz oben drauf misst bereits sechs Meter. Für die Stadt hat das symbolische Wirkungskraft, meint Gemeindepfarrer Harald Grün-Rath. Menschen im Krieg hätten gesagt: „Solange dieser Turm steht, kommen wir schon irgendwie durch“. Das Gebäude erscheint so eindrücklich, dass man daran bestimmte Erwartungen festmachen könnte. Auch Hoffnungen.

Hingucker von Ferne

Als Hingucker hat der Berliner Architekt Gerhard Schlotter die Hohenzollern-Kirche dezent umgestaltet, ihr neue farbenfrohe und lichtintensive Fenster verpasst. Als Baumeister hat er schon viele Kirchen umgestaltet. Für Schlotter ist ein Sakralbau etwas ganz Besonders.

So ähnlich wie der Reformator Martin Luther einmal dichtete: „Eine feste Burg ist unser Gott“. Kirche hätten eben eine ganz besondere Tradition, müssten „nicht jeden modischen Schnick-Schnack mitmachen“.

Rund 45.000 evangelische und katholische Kirchen stehen in Deutschland. St. Engelbert ist eine katholische Kirche in Köln. Sie wurde ebenfalls in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts gebaut. Ihr Sternkuppel-Bau verwirrte die Entscheider in der Gemeinde.

Im Volksmund bezeichnen die Kölner diese Kirche nun gerne als „Zitronenpresse“. Kirchtürme neuen Alters bilden Trend zur Transparenz Dabei geht es nicht nur um Demographie oder die Tatsache, dass vielen Gemeinden Mitglieder weglaufen. Der Architekt schließt vom Äußeren aufs Innere. „Es wird immer wichtiger, was die Gemeinde eigentlich will“, sagt Schlotter.

Trendsetter trotz Tradition

Kirche von heute will kein verstaubter Hinterhof sein. Trotz des mächtigen Kirchbaus wollen Kirchen wie die am Hohenzollernplatz offen sein für die Menschen der Stadt. Kirchen spiegeln die Zeitgeschichte, in der sie entstehen. Die monumentale Holz-Glas-Konstruktion der katholischen Herz-Jesu-Kirche in München wurde zum Beispiel nach einem aufwendigen Wettbewerb mit über 180 Einsendungen eingeweiht.

Manchmal dienen die neuen Kirchen auch einem bestimmten Zweck. So erinnert die Versöhnungskirche in Berlin, ebenfalls ein Trendsetter, seit zehn Jahren an die frühere Sprengung einer Kirche am Mauerstreifen.

2000 fand auch die Weltausstellung in Hannover statt. Mit zwei neuen Häusern Gottes. Dem Christus-Pavillon mit seinen verschiedenen Mosaikfenstern und Sandboden. Ebenso dem „Pavillon der Hoffnung“ mit einer lebensgroßen Walfisch-Flosse auf dem Dach.

[tabs tab1=“Architektur“ tab2=“Theologie“ tab3=“Kirche“]
[tab]Unter dem Kirchenbau der Moderne wird der Bau von Kirchengebäuden seit dem Ersten Weltkrieg verstanden. Der Großteil der Kirchenbauten von ca. 1860 bis zum Ersten Weltkrieg versuchte die Neuinterpretation historischer Baustile, vor allem die Neugotik und die Neoromanik, aber auch der Neubarock. Erst mit den großen gesellschaftlichen Umwälzungen zu Beginn der Weimarer Republik nahm der Kirchenbau neuere Tendenzen in Liturgie und Architektur auf und begann deren Umsetzung.[/tab]
[tab]Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es theologische Tendenzen in der katholischen Kirche, die Messfeier wieder mehr als Feier der Gemeinde zu verstehen. Maßgeblich an diesen Überlegungen beteiligt war der Theologe Romano Guardini. Dazu braucht es aber eine andere Anordnung des Altars, nämlich möglichst nah an der Gemeinde, wenn nicht sogar inmitten der versammelten Gemeinde. Auch in Teilen der evangelischen Kirche gab es etwa gleichzeitig ähnliche Bestrebungen, den Gottesdienst als Gemeindefeier zu interpretieren. Erste dahingehende architektonische Entwürfe stammen auf katholischer Seite von Rudolf Schwarz und Dominikus Böhm, auf evangelischer Seite von Otto Bartning.[/tab]
[tab]Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden in Deutschland nur noch wenige Kirchen neu errichtet. Neubauten finden vor allem noch dort statt, wo die Kirchengemeinden durch Zuzug wachsen, was sich z.B. bei mehreren neu fertig gestellten Kirchen in München, beim Neubau der Leipziger Trinitatiskirche oder auch an anderen Orten mit steigender Bevölkerung zeigt. An manchen Orten werden neue Gotteshäuser als Ersatz besonders für Kirchenbauten der 1960er und 1970er Jahre erstellt, die wegen Baumängeln oder Beschädigungen ersetzt werden müssen.[/tab]
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Restaurierte Kirchen werden heute auch anderweitig genutzt. Als Disco oder Restaurant, Solarium oder Bibliothek. Teilweise auch als Moschee. Doch sakrale Architektur soll sich unterscheiden von weltlichen Gebäuden. Sie sollen Menschen auf das Göttliche hinweisen.

Die Vorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Margot Käßmann, bezeichnet Kirchtürme als „Fingerzeig Gottes“. Auch für weniger religiöse Menschen gehören Kirchturm und Glockenklang irgendwie zum Leben dazu. Freikirchen favorisieren eher das funktionale Gemeindezentrum.

Artikelbilder: @ Jan Thomas Otte + Jorges/ Wikimedia

Logbuch| Jan Thomas Otte geht gerne in Kirchen. Am Schönsten findet er sie jedoch von außen, der Weg dorthin. Eines seiner Highlights steht weder in Berlin noch Hannover. Sondern als Kapelle in den Schweizer Bergen, dem romantischen „Wildkirchli“…

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Jan Thomas Otte liest gerne "mare", das Print-Magazin. Online surft er lieber auf "admirado". Otte lebte 3 Monate in der Nähe von Manchester, 6 Monate in Jerusalem, 9 Monate bei New York. Wegen seinem Reisefieber verbrachte er auch einige Wochen an anderen schönen Flecken der Erde, auf der Südhalbkugel: Neuseeland, Südamerika und Südostasien. Als Journalist mit Reisefieber engagiert er sich bei Constart, einem Netzwerk für Korrespondenten. 2010 gründete er das Online-Magazin "Karriere-Einsichten". Und ist in den letzten 10 Jahren ebenso 10 mal umgezogen...

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